Die Abstimmungsergebnisse auf unserem Instagram haben uns dazu bewogen, einen weiteren Blogpost über die kantonalen Voraussetzungen der Anwaltsprüfung zu verfassen. Als Fortsetzung haben wir dir die wichtigsten Informationen rund um die Anforderungen der Kantone Luzern, Aargau, Basel-Stadt und Thurgau zusammengetragen. Viel Spass beim Lesen!
Luzern
Praktische Voraussetzungen
Der Kanton Luzern setzt hinsichtlich der Zulassung zur Anwaltsprüfung ein Jahr praktischer juristischer Erfahrung voraus. Im Unterschied zu anderen Kantonen darfst du beim Praktikum maximal sechs Wochen abwesend sein und trotzdem von einer vollständigen Anrechnung profitieren. Dafür müssen neun der zwölf Monate bei einem registrierten Anwalt oder einer registrierten Anwältin im Kanton Luzern erbracht werden. Die restliche Zeit kann bei einem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Strafuntersuchungsbehörde, dem Grundbuch- oder Konkursamt oder einem anderen Rechtsdienst der kantonalen Verwaltung absolviert werden (§5 APV). Ein ausserkantonales Praktikum bei einem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin ist möglich, dieses muss jedoch vor Beginn mit einem schriftlichen Gesuch angemeldet werden und die Anrechnung wird geprüft. Zusätzlich zum ausserkantonalen Praktikum musst du jedoch zwingend ein mindestens dreimonatiges Gerichts- oder Behördenpraktikum in Luzern abschliessen. Bevor du dein Anwaltspraktikum beginnst, hast du dieses dem Präsidium der Prüfungskommission anzumelden und ein schriftliches Gesuch um Zulassung zum Praktikum einzureichen.[1]
Prüfungsmodalitäten
Das Gesuch um Zulassung zur Anwaltsprüfung ist mit dem dafür vorgesehenen Formular an den Präsidenten der Anwaltsprüfungskommission zu richten. Der Kanton Luzern bietet jährlich drei Prüfungssessions an; eine Winter-, Sommer- und Herbstsession. Dabei ist die Anmeldefrist relativ kurz angesetzt – sie beläuft sich auf ca. einen Monat. Der anstehende Anmeldeschluss für die Herbstsession ist am 31. Juli 2024 und die Prüfungstermine lauten wie folgt:
- Schriftliche Prüfung: 02.09-04.09.2024
- Mündliche Prüfung: 21.10-31.10.2024
Die schriftliche Prüfung dauert insgesamt neun Stunden und ist in drei Klausurarbeiten aufgeteilt. Die erste Klausur umfasst Prüfungsfragen zu eidgenössischem und kantonalem Privatrecht sowie eidgenössischem und kantonalem Zivilprozess- und Schuldbetreibungs- und Konkursrecht und dauert fünf Stunden. Die zweite und dritte Klausurarbeit behandelt eidgenössisches und kantonales Straf- und Strafprozessrecht sowie eidgenössisches und kantonales Staats- und Verwaltungsrecht. Zusätzlich wird das massgebende internationale Recht, Staatsverträge, sowie das interkantonale Recht, Konkordate, vorausgesetzt (§17 APV). Um die Anwaltsprüfung zu bestehen, muss jede einzelne Klausur als bestanden erklärt werden. Wenn nur eine Klausur nicht bestanden wird, muss nur diese wiederholt werden (§21 Abs. 2 und 3 APV). Nach erfolgreicher schriftlicher Prüfung kann der mündliche Teil absolviert werden. Die mündliche Prüfung dauert in der Regel zwei Stunden und umfasst alle genannten Rechtsgebiete sowie das Anwaltsrecht.
Aargau
Praktische Voraussetzungen
Die Anwaltsprüfungskommission setzt hinsichtlich der Anmeldung zur Anwaltsprüfung ein einjähriges (netto) Praktikum voraus. Die juristische Praxiserfahrung muss dabei während mind. sechs Nettomonaten bei einer registrierten Anwältin oder einem registrierten Anwalt im Kanton Aargau, bei einem kantonalen Bezirksgericht, beim Spezialverwaltungsgericht oder beim Obergericht absolviert werden. Die Restdauer kann auch in der kantonalen Verwaltung, einer ähnlichen ausserkantonalen Behörde oder Kanzlei absolviert werden. Die Arbeit in einer kantonalen Gemeindeverwaltung kann ebenfalls angerechnet werden, sofern nachgewiesen werden kann, dass die praktische Ausbildung juristischer Natur entspricht.[2]
Prüfungsmodalitäten
Zur Einreichung des Gesuchs zur Anwaltsprüfung sind die bereitgestellten Formulare zu verwenden und fristgerecht einzureichen.[3] Die Anwaltsprüfungskommission stellt jährlich drei Prüfungstermine zur Verfügung, jeweils im Frühling, Sommer und Herbst. Die Anmeldefrist beläuft sich auf ca. drei Monate, wobei der konkrete Anmeldeschluss jeweils angegeben wird. Die anstehenden Termine für im Herbst 2024 mit Anmeldefrist vom 05.07.2024 lauten wie folgt:
- schriftliche Prüfung: 18.09 - 20.09.2024
- mündliche Prüfung: 10.12 - 12.12.2024
Geprüft werden fünf Rechtsgebiete: ZGB, OR (inkl. Grundzüge des Versicherungsvertragsrecht, des Immaterialgüterrechts und des Internationalen Privatrechts), Straf- und Strafprozessrecht, Zivilprozessrecht (inkl. Anwaltsrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht) sowie Staats- und Verwaltungsrecht (mit besonderer Berücksichtigung des aargauischen Rechts und Grundzügen des Sozialversicherungs- und Steuerrechts). In jedem Fachgebiet ist eine mind. vierstündige Arbeit am Computer abzulegen, die Prüfungsdauer erstreckt sich daher auf zweieinhalb Tage. Dabei muss du mind. drei der fünf geprüften Rechtsgebiete bestehen und eine Durchschnittsnote von 4.0 erreichen.
Nach bestandener schriftlicher Prüfung wirst du zur mündlichen Prüfung zugelassen. Die mündliche Prüfung dauert max. zwei Stunden, beinhaltet dieselben Rechtsgebiete wie beim schriftlichen Teil und ist öffentlich. Dies kann dir während deiner Prüfungsvorbereitung helfen, erste Einblicke in den tatsächlichen Ablauf zu gewinnen. Die Bewertung erfolgt analog zum schriftlichen Teil. Bei nicht bestandener mündlicher Prüfung muss nur diese wiederholt werden.[4]
Basel-Stadt
Praktische Voraussetzungen
Als Praktikum zählt die juristische Tätigkeit bei schweizerischen Gerichten, Verwaltungs- und ähnlichen Behörden sowie bei im Anwaltsregister eingetragenen Anwältinnen und Anwälten (§7 Abs. 2 AdvG-BS[5]). Diese Voraussetzung ist ein Vorteil, da ein anrechenbares juristisches Praktikum demnach nicht zwingend im Kanton Basel-Stadt zu erfolgen hat. Zu beachten gilt, dass Volontariate in Rechtsabteilungen von Unternehmungen nicht angerechnet werden können. Ferner ist das Praktikumserfordernis im Kanton Basel-Stadt erfüllt, wenn während eines Jahres mit einem Pensum von 100% gearbeitet wurde; ein Teilzeitpensum wird entsprechend reduziert angerechnet.
Prüfungsmodalitäten
Die Anmeldung zur Anwaltsprüfung hat über ein Gesuch inkl. den erforderlichen Beilagen an das Präsidium der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte zu erfolgen.
Die Anwaltsprüfung wird im Kanton Basel-Stadt zweimal jährlich durchgeführt; einmal in der Zeit zwischen Januar bis Juni und einmal von Juli bis Dezember, wobei die detaillierten Prüfungstermine von der Präsidentin oder den Präsidenten der Prüfungsbehörde festgelegt werden. Dabei hat das Gesuch um Zulassung für die im ersten Halbjahr stattfindende Prüfung bis zum 30. November des Vorjahres, jenes für das im zweiten Halbjahr stattfindende bis zum 31. Mai des laufenden Jahres zu erfolgen. Die mündliche Prüfung findet dabei drei Monate nach Absolvierung der schriftlichen Prüfungsteile statt. Das Gesuch um Zulassung für das im ersten Halbjahr stattfindende Examen hat bis zum 30. November des Vorjahres, jenes für das im zweiten Halbjahr stattfindende bis zum 31. Mai des laufenden Jahres zu erfolgen.
Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und mündlichen Teil; eine Aufzählung der Prüfungsfächer findest du in §3 des Reglements über das Anwaltsexamen.[6] Eine Besonderheit der Prüfungsmodalität des Kantons Basel-Stadt ist, dass der schriftliche Prüfungsteil eine fünftätige Hausarbeit sowie zwei Klausuren von je 11 Stunden umfasst. Dabei sind Examinatorinnen und Examinatoren berechtigt, ergänzend zur Hausarbeit im Einzelfall mit der betreffenden Kandidatin oder dem Kandidaten ein Kolloquium darüber von maximal 20 Minuten Dauer durchzuführen.
Kandidatinnen und Kandidaten, welche aus der Summe aller schriftlichen Arbeiten die Durchschnittsnote 4.0 erreichen und höchstens eine ungenügende Note aufweisen, werden zur mündlichen Prüfung zugelassen. Der mündliche Teil umfasst fünf mündliche Prüfungen mit einer Prüfungsdauer von je 30 Minuten, wobei die Kandidatinnen und Kandidaten zu zweit geprüft werden. Wird eine Kandidatin oder ein Kandidat bei den mündlichen Prüfungen allein geprüft, beträgt die Prüfungsdauer 20 Minuten. Die Prüfungsbehörde entscheidet sofort nach Beendigung der mündlichen Prüfung über das Bestehen der Anwaltsprüfung und informiert die Kandidatin oder den Kandidaten auf schriftlichen Weg (§9 Abs. 1 des Reglements über das Anwaltsexamen). Das Anwaltsexamen kann einmal wiederholt werden, wobei Prüfungsversuche in anderen Kantonen mitzählen (§7 Abs. 3 AdvG-BS).
Thurgau
Praktische Voraussetzungen
Die Anmeldung für die Anwaltsprüfung ist mitsamt den erforderlichen Unterlagen an die Anwaltskommission einzureichen. Als Praxisvoraussetzung wird im Kanton für die Zulassung zur thurgauischen Anwaltsprüfung eine berufliche Tätigkeit von mindestens 18 Monaten vorausgesetzt (§12 Abs. 1 AnwG-TG[7]). Davon sind mind. sechs Monate bei einem thurgauischen Bezirksgericht und mind. sechs Monate bei einem thurgauischen Anwaltsbüro zu absolvieren. Es liegt im Ermessen der Anwaltskommission, ob sie anderweitige juristische Tätigkeit ganz oder teilweise an das Praktikum anrechnet (§4 Abs. 1 AnwV-TG[8]). Wichtig ist, dass sich das Praktikum auf möglichst alle Bereiche des Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahrens und die anwaltliche Beratung zu erstrecken hat. Falls nötig, kann die Anwaltskommission im Zusammenhang mit dem Praktikum den Besuch von Kursen für obligatorisch erklären (§9 AnwV-TG). Alternativ zum Erfordernis der 18-monatigen beruflichen Tätigkeit im Kanton Thurgau ist auch die Kandidatin oder der Kandidat zugelassen, die oder der im Zeitpunkt der Anmeldung vorher einen ununterbrochenen Wohnsitz im Kanton Thurgau von mindestens 18 Monaten hat. Was die Anrechnung ausserkantonaler Rechtspraktikantenbewilligungen betrifft, hat der Kanton Thurgau die Anerkennung auf die Kantone Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden sowie St. Gallen per 1. April 2019 ausgedehnt.[9]
Prüfungsmodalitäten
Die thurgauische Anwaltsprüfung besteht aus einem schriftlichen und mündlichen Teil. Der schriftliche Teil wird in digitaler Form absolviert, Besonders vorteilhaft ist die Tatsache, dass sich die gesamte Anwaltsprüfung über drei Wochen erstreckt. In der ersten Woche findet die schriftliche Prüfung statt, welche aus zwei Teilen besteht, und je fünfeinhalb Stunden dauert. Die Kandidaten und Kandidatinnen werden in der zweiten Woche über das Ergebnis orientiert, worauf in der dritten Woche die mündliche Prüfung folgt. Dabei werden zwei Kandidatinnen und Kandidaten nebeneinander geprüft: Für die eine Kandidatin/den einen Kandidaten findet die schriftliche Prüfung am Vormittag und für die andere Kandidatin/den anderen Kandidaten findet die Prüfung parallel am Nachmittag statt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die schriftliche Prüfung gewissermassen im Openbook-Format stattfindet; während der Prüfung steht dem Kandidaten oder Kandidatin der Zugang zur Website des Bundes, Bundesgerichts sowie des Kantons Thurgau zu und die jeweilige Gerichtsbibliothek steht zur Benützung zur Verfügung. Schliesslich wird die Prüfung in digitaler Form absolviert.
Bei der mündlichen Prüfung wechseln sich die Kandidatinnen und Kandidaten nach jedem der gesamthaft fünf Prüfungsblöcken ab. Eine Aufzählung der zu prüfenden Rechtsgebiete findest du in §8 AnwW-TG.
Nice to know: Den Kandidatinnen und Kandidaten steht die Möglichkeit offen, sich vor Beginn der Prüfungsvorbereitung in einem persönlichen Gespräch mit der Präsidentin oder dem Vizepräsident der Anwaltskommission über weitere Einzelheiten der Prüfung zu informieren.
Wir hoffen, der vorliegende Blogpost konnte dir weitere Einblicke in die unterschiedlichen kantonalen Anforderungen und Modalitäten rund um die Anwaltsprüfung verschaffen!
[1] Abrufbar unter: https://gerichte.lu.ch/pruefungen/anwalt
[2] Zur Anwaltsverordnung: https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/texts_of_law/290.111/versions/3045
[3] Formulare zur Prüfungsanmeldung: https://www.ag.ch/de/gerichte/anwaltskommission/pruefungen/anmeldung#MjI0MTQ0MQ
[5] Zum Advokaturgesetz des Kantons Basel-Stadt siehe https://www.gesetzessammlung.bs.ch/app/de/texts_of_law/291.100
[9] Zur Ausdehnung der Vereinbarung auf den Kanton Thurgau siehe https://register.tg.ch/anwaltskommission/rechtspraktikantenbewilligung/anerkennung-recchtspraktikantenbewiligungen.html/9663
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