Dürfen Rechtskanzleien werben?
- corporatelawclub

- vor 3 Tagen
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Sicherlich hast Du an einer Career Fair Werbeartikel wie Kugelschreiber oder Thermoflaschen von Rechtskanzleien erhalten. Wusstest du jedoch, dass Anwältinnen und Anwälte nur eingeschränkt Werbung machen dürfen? Im folgenden Blogpost erfährst Du, welche Werbemöglichkeiten Rechtskanzleien heute haben und was das für dich als potenzielle/n Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer bedeuten könnte. Viel Spass bei der Lektüre!

Gesetzliche Grundlagen
Das «Anwaltsmonopol» in der Schweiz bezieht sich auf die gemäss dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [Anwaltsgesetz, BGFA] bewilligungspflichtige Tätigkeit von Anwältinnen und Anwälten. Auch wird die Berufsausübung der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts verfassungsrechtlich geschützt und fällt in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit gem. Art. 27 BV. Nach diesem Grundrecht sind «die freie Wahl des Berufes sowie der freie Zugang zu einer privatrechtlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung» geschützt (Abs. 2). Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit – insbesondere Massnahmen, welche den Wettbewerb verzerren – sind nur mit ausdrücklicher Verfassungsgrundlage oder durch die Begründung kantonaler Regalrechte[1] zulässig (Art. 94 Abs. 4 BV).
Die im Rahmen des «Anwaltsmonopol» tätigen Anwältinnen und Anwälte unterstehen dabei den Berufsregeln gem. Art. 12 BGFA, welche auch Regelungen zu Werbemöglichkeiten vorsieht: Gemäss lit. d dieses Artikels ist die Werbung nur dann zulässig, wenn diese objektiv bleibt und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht. In den Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbands (Art. 25 SSR) ist das gleiche Prinzip geregelt: Grundsätzlich ist die Werbung erlaubt, jedoch nur, sofern sie den Standards entspricht, welche die Öffentlichkeit vom Berufsstand der Anwaltschaft erwarten darf. Bei Verletzung dieses Gesetzes kann die Aufsichtsbehörde folgende Disziplinarmassnahmen nach Art. 17 BGFA anordnen:
· eine Verwarnung;
· einen Verweis;
· eine Busse bis zu 20 000 Franken;
· ein befristetes Berufsausübungsverbot für längstens zwei Jahre;
· ein dauerndes Berufsausübungsverbot.
Dabei kann eine Busse zusätzlich zu einem Berufsausübungsverbot angeordnet werden. Nötigenfalls kann die Aufsichtsbehörde die Berufsausübung vorsorglich verbieten.
Anwaltskanzleien dürfen demnach nicht nach Belieben für sich werben, sondern haben sich dabei diskret zu verhalten.
Der Begriff der «Werbung» i.S.v. Art. 12 lit. d BGFA
«Werbung» i.S.v. Art. 12 lit. d BGFA betrifft insbesondere all jene Kommunikation, die planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die von einem Anwalt bzw. einer Anwaltskanzlei angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Zum einen ist die Objektivität der Werbung entscheidend. Kommerzielle Werbemethoden werden im Interesse des Schutzes von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zur Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit und der Unabhängigkeit der Anwaltschaft ausgeschlossen. Hingegen kommen zurückhaltende und sachlich zutreffende Werbung dem Bedürfnis des Publikums nach Information entgegen und ist der Anwältin oder dem Anwalt deshalb grundsätzlich nicht verwehrt. Die anwaltliche Werbung darf keine unrichtigen Erwartungen wecken, hat auf sensationelle und reklamehafte Selbstdarstellung gegenüber Berufskollegen zu verzichten und muss von hohem Informationsgehalt sein.[2]
Zum anderen ist das Kriterium des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit zu beachten, welches im Wesentlichen die Existenz der betreffenden Kanzlei und deren Tätigkeitsgebiete, die Kontaktangaben sowie zusätzliche Angaben wie etwa "beratend und prozessierend" betrifft. Je nach Ort, an dem die Werbung wirken soll, kann das Informationsbedürfnis der (dortigen) Öffentlichkeit höher oder niedriger sein. Nach der Lehre ist die Werbung zudem daran zu messen, ob sie Markttransparenz schafft und so eine sachgerechte Nachfrage auslöst. Eine übermässige, missbräuchliche oder unzweckmässige Nachfrage nach Dienstleistungen des Rechtsanwalts soll verhindert werden, damit eine sachgerechte Inanspruchnahme des Rechtsstaats gewährleistet bleibt.[3]
Es ist wichtig, dass der Begriff der Werbung hingegen nicht zu eng verstanden wird. So haben reine Tür- oder Namensschilder eine blosse Hinweisfunktion, womit diesen jeglicher Werbecharakter abgesprochen werden kann. Die Grösse, Gestaltung und Anbringung solcher Schilder spielen jedoch eine entscheidende Rolle bei der Differenzierung zwischen Werbung und reinem Informationsgehalt.
Hintergrund der eingeschränkten Werbemöglichkeiten
Das Werbeverbot i.S.v. Art. 12 lit. d BGFA stellt grundsätzlich einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit i.S.v. Art. 27 BV dar. Dieser Eingriff wird jedoch damit gerechtfertigt, dass das Publikum vor unzweckmässiger und aggressiver Werbung geschützt werden muss. Im Zentrum steht das Vertrauen des Publikums in die freie Anwaltschaft.
Der Zugang zum Recht führt i.d.R. über die Anwaltschaft und ohne die juristische Vertretung würde vielen Menschen die wirksame Wahrnehmung ihrer Rechte verwehrt bleiben. Daraus ergibt sich ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft ausüben.[4] Zum Schutz des Publikums sowie zur Wahrung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr ist der Staat befugt, Regeln für eine ordnungsgemässe und qualitativ hochstehende Ausübung der Anwaltstätigkeit aufzustellen. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann Werbung für Anwaltskanzleien sogar einen ideellen Nutzen stiften, indem sie eine sachgerechte Anwaltswahl erlaubt und damit letztlich zu einer funktionierenden Rechtspflege beiträgt.[5]
Bei den juristischen Dienstleistungen handelt es sich um sogenanntes Vertrauensgut. Aufgrund dessen, dass die Nachfrager die Qualität der Leistung schlecht beurteilen können, müssen sie den Anbietern ein massgebliches Vertrauen zusprechen. Insbesondere bei Vertrauensgütern können Werbeversprechen nur unzureichend überprüft werden, weshalb es schwierig ist, irreführende Werbung zu entdecken. Dabei besteht das Risiko, dass gewisse Anbieter dieses Vertrauen ausnützen. Grundsätzlich scheint es somit als gerechtfertigt, die Werbemöglichkeiten von Anwältinnen und Anwälten einzuschränken.[6]
Gerade das Bundesgericht hatte sich kürzlich mit Werbemöglichkeiten von Anwältinnen und Anwälten befasst. Dabei ging es um die Frage, ob Mitglieder einer Anwaltskanzlei in zulässiger Weise werben, wenn sie ihren bestehenden und ehemaligen Klienten einen elektronischen Newsletter zukommen lassen, welcher Entwicklungen in verschiedenen Rechtsbereichen enthält. Das Bundesgericht hielt insbesondere zum Kriterium der Informationsbedürfnisse der Öffentlichkeit fest, dass nicht alle Empfänger ein Interesse an den Beiträgen im Newsletter hätten. Aus diesem Grund erachtet es den vorinstanzlichen Entscheid, die Werbung gehe weiter als die Befriedigung eines relevanten öffentlichen Informationsbedürfnisses, als nicht willkürlich. Damit wird diese Werbemöglichkeit als berufsrechtlich unzulässig erachtet.[7]
Obwohl Anwältinnen und Anwälte in der Schweiz nur eingeschränkt Werbung machen dürfen, gibt es dennoch zahlreiche Möglichkeiten, mit Kanzleien in Kontakt zu treten. Besonders für Studierende, die sich für eine juristische Laufbahn interessieren, bieten die Career Fairs an der UZH oder die Law Days und Legal Days an der Universität St.Gallen eine ideale Gelegenheit, einen authentischen Einblick in die Praxis zu erhalten und persönliche Kontakte zu knüpfen. Wer also mehr über die Tätigkeit in einer Kanzlei erfahren oder potenzielle Arbeitgeber kennenlernen möchte, sollte die Chance nutzen und sich direkt an den Messeständen der Rechtskanzleien vorstellen – oft entstehen genau dort die wertvollsten ersten Verbindungen für den späteren Berufseinstieg.
[1] Gemeint sind damit die traditionellen Monopole der Kantone, wie z.B. Grund und Boden, Jagd oder Fischerei.
[2] BGE 139 II 173, E. 3.1, 3.3, 4.3 (Quelle für den ganzen Teil), BGE 123 I 12, E. 2c/aa.
[2] Urteil 2C_259/2014 vom 10.11.2014, E. 2.3.2.
[4] Art. 12 lit. a BGFA.
[5] BGE 139 II 173, E. 5.1.
[6] Caroni und Strub, Die Schranken der Anwaltswerbung auf dem Prüfstand. https://www.sav-fsa.ch/documents/672183/2086852/07arv1020+%282%29.pdf/4c696224-63c3-56e8-7423-d797ec8e63b7?t=1645451092129


