Hat dir schon mal jemand gesagt, dass dein Rechtsstudium ein «safe haven» ist, und du damit beruflich beste Zukunftsaussichten hast? Vielleicht hast du dich anschliessend gefragt: was genau ist damit gemeint – und welche Berufsmöglichkeiten gibt es überhaupt? Ob Wirtschaftskanzlei, Inhouse-Tätigkeit oder Steuerberatung, der vorliegende Blogpost soll dir ausgewählte Optionen aufzeigen, die dir nach deinem Jus-Studium im Bereich Wirtschaftsrecht offenstehen[1].
1) Wirtschaftskanzlei
Eine Wirtschaftskanzlei bietet vielseitige Rechtsberatung an, wobei die Expertise fast alle Bereiche des Wirtschaftsrechts umfasst. Ihr Kundenportfolio ist gross und vielfältig und reicht von internationalen Unternehmen über Privatpersonen bis hin zu Finanzinstituten. Das breite Spektrum der praktizierten Fachgebiete und die Varietät an Kunden erlaubt es den Mitarbeitenden einerseits, gebietsübergreifend tätig zu sein, ständig zu lernen und zu wachsen, aber auch, sich auf ein Fachgebiet zu spezialisieren.
Erste Einblicke in eine Wirtschaftskanzlei kannst du bereits im Studiums durch ein Kurzpraktikum oder eine Assistenzstelle gewinnen. Da das Gebiet des Wirtschaftsrechts breit ist, solltest du dir die Möglichkeit eines Kurzpraktikums in einer Wirtschaftskanzlei nicht entgehen lassen; so findest du am besten heraus, ob dich einer der Fachbereiche interessieren könnte. Nach Abschluss des Studiums für eine längere Zeit (meist 12-14 Monate) in diese Welt eintauchen kannst du mit dem Anwaltspraktikum als Substitut:in. Je nach Wirtschaftskanzlei wirst du einer Praxisgruppe zugeteilt oder befindest dich in einem sog. Pool-System.[2] Wenn du Gefallen am Anwaltsberuf gefunden hast, kommst du idealerweise als Anwalt oder Anwältin zurück.
2) Steuerberatung in der Big Four
Das Steuerrecht erfreut sich als Schnittstelle zwischen Recht und Wirtschaft grosser Beliebtheit bei (ehemaligen) Jus-Studierenden. Die "Big Four" – Deloitte, EY, PricewaterhouseCoopers, KPMG – bieten gute Möglichkeiten, als Steuerberater:in in die grosse weite Welt der Steuern einzutauchen. Der Berufseinstieg wird dabei oft mit der Ausbildung zum Steuerexperten begleitet. Zu den Tätigkeitsbereichen zählen bspw. die Beratung natürlicher und juristischer Personen in unterschiedlichsten, komplexen Steuerbelangen, aber auch die Erstellung und Begleitung von (oft) grenzüberschreitenden Steuerplanungen nationaler und internationaler Kunden. Dabei ist die die Steuerwelt stark von der Politik getrieben und interdisziplinär, was die Arbeit vielfältig und interessant gestaltet. Insbesondere die Multidisziplinarität ist an den unterschiedlichen Hintergründen der Steuerberater:innen erkennbar: Es gibt Jurist:innen, aber auch Betriebs- und Volkswirtschaftler:innen, welche alle unterschiedliche Fähigkeiten und Perspektiven einbringen. Auch bei den Big Four gibt es während des Studiums die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren. Gängig sind ebenfalls sechsmonatige Praktika kurz nach dem Studium oder zwischen Bachelor und Master. Wenn du dich mit einer analytischen und systematischen Arbeitsweise begleitet von vielen Zahlen und Bilanzen identifiziert, darfst du dir ein Praktikum in der Steuerberatung nicht entgehen lassen.
3) InHouse-Tätigkeit
Die steigende Komplexität des wirtschaftlichen Umfelds und die erhöhten regulatorischen Anforderungen veranlassen mehr und mehr Unternehmen, die eigene, interne Rechtsabteilung auszubauen. Die Tätigkeit in einer solchen Abteilung wird als «InHouse-Tätigkeit» bezeichnet. Darunter fallen alle rechtlichen Belange rund um das Unternehmen. Unternehmensjurist:innen (oftmals Legal Counsel genannt) arbeiten eng mit den anderen Abteilungen des Unternehmens zusammen und verfolgen die für das Unternehmen relevante Rechtsentwicklung. Auch pflegen sie den Kontakt mit externen Stakeholdern und vertreten das Unternehmen gegenüber Behörden, beispielsweise wenn eine Bewilligung eingeholt werden soll. Nebst der juristischen Tätigkeit hat ein Unternehmensjurist zahlreiche andere Funktionen und Verantwortungen. Insbesondere für KMU ist ein Unternehmensjurist, welcher sich nur um die rechtlichen Angelegenheiten einer Unternehmung kümmert, zu kostspielig, weshalb er zugleich mehrere Funktionen übernehmen muss. Aber auch bei grösseren Unternehmen steckt der Unternehmensjurist in mehrere Rollen, zumal die Überlappungen mit anderen Abteilungen wie das HR, Finance oder Business Development kaum zu vermeiden ist. Schliesslich ist die Aufgabe des Unternehmensjuristen gerade die Verhinderung von (Gerichts-)Verfahren. So ist der Unternehmensjurist in mehreren Ausschüssen des Unternehmens tätig, unterstützt das Controlling, kann geschäftsleitende Aufgaben übertragen bekommen oder für diese beratend tätig sein. Wie wir in unseren Podcasts[3] erfahren haben, ist die Bedeutung von Leadership und Teamwork nicht zu vernachlässigen: Es reicht nicht aus, dass Unternehmensjuristen nur in der «juristischen Sprache» denken. Das Mindset muss sich dem Business-Umfeld anpassen – das Business muss vom Unternehmensjurist gelebt werden. Falls du gerne in mehrere Rollen schlüpfen möchtest und schon immer ein Flair für das unternehmerische Denken hattest, kannst du versuchen, dir ein Praktikum oder eine Teilzeitstelle im Rechtsdienst eines Unternehmens zu ergattern. Tipp von unserer Seite: Oftmals sind Initiativbewerbungen hier sehr hilfreich!
4) Tätigkeit in einem (LegalTech-)Startup
Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem damit verbundenen Rückstand der Rechtsbranche boomt auch LegalTech. Ein vermehrtes Aufkommen von LegalTech-Startups in den letzten Jahren ist stetig zu beobachten. LegalTech-Startups entwickeln und verkaufen oftmals mithilfe von KI standardisierte Produkte und Dienstleistung, die eine Effizienzsteigerung herbeiführen und Skalierungspotenziale nutzen sollen. Ziel ist es, den Arbeitsalltag eines jeden Anwalts oder einer jeden Anwältin zu optimieren und zu erleichtern. Während die Produktentwicklung meist den Computer Science-Absolvent:innen überlassen wird, braucht es für die dem Produkt zugrunde liegenden Idee und die Umsetzung oftmals Jurist:innen. Auch hier überlappt sich die juristische Tätigkeit mit anderen Bereichen: Am Anfang stehen oft arbeits- und gesellschaftsrechtliche Fragen im Vordergrund, so bspw. bei der Kapitalisierung eines Startups. Ebenso datenschutzrechtliche Themen, da den angebotenen Softwares eines LegalTech-Startups meist sensible Daten zugrunde liegen. Als Jurist:in bei einem Startup bist du mit ständigem Wandel konfrontiert und stellst dich laufend neuen Herausforderungen mit Bezug zu unterschiedlichsten Rechtsgebieten.[4] Falls du schon immer das traditionelle Recht mit der Innovation vereinen und in kleineren, sich wandelnden Strukturen arbeiten wolltest, solltest du dich unbedingt für Berufseinstiegsmöglichkeiten bei LegalTech-Startups umsehen. Einzelne Startups bieten auch Teilzeitstellen oder Praktika an! Auch hier sind Initiativbewerbungen bestimmt hilfreich.
5) Public Sector
Weg von der Privatwirtschaft, hin zum öffentlichen Sektor: Im Bereich des Wirtschaftsrechts ist die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) und die damit verbundenen Stellen von grösster Bedeutung. Als unabhängige Aufsichtsbehörde ist die FINMA zuständig für Bewilligungen und Überwachung des schweizerischen Finanzmarkts. Sie stellt die funktionsfähige Umsetzung des Finanzmarktrechts sicher und schützt Anleger und Gläubiger. Dabei wird die Tätigkeit bei der FINMA stark vom Zusammenspiel zwischen Wirtschafts- und Finanzmarktrecht getrieben. Wie sieht eigentlich die Arbeitstätigkeit bei der FINMA aus? Als Mitarbeiter:in bei der FINMA befindest du dich nah am Marktgeschehen und erhältst Einblicke in verschiedenste Finanzinstitute und finanzmarktrechtliche Fragestellungen. Im Unterschied zu den vorher aufgezeigten Möglichkeiten ist das Anstellungsverhältnis bei der FINMA öffentlich-rechtlicher Natur. Die Jobangebote und Praktikumsmöglichkeiten sind auf der Hompage ausgeschrieben.[5]
Wir hoffen, dass wir dir mit diesem Blogpost einige der vielen Tätigkeitsbereiche, welche sich in der Rechtsbranche existieren, aufzeigen konnten! Inspiriert? Jetzt heisst es: Aktualisiere dein Bewerbungsdossier und ab die Post!
[1] Der Blogpost orientiert sich dabei insb. an den vielfältigen Tätigkeiten, die unsere Podcastgäste ausüben, ergänzt durch eigene Erfahrungen.
[2] Das Pool-System erlaubt es dir, in unterschiedliche Rechtsgebiete einzusehen und Erfahrungen zu sammeln, da du für unterschiedliche Anwältinnen und Anwälte, die sich in unterschiedlichen Gebieten spezialisiert haben, tätig sein darfst.
[3] Vgl. die Podcasts zum Thema «Inhouse vs. Anwaltskanzlei» vom 2. März 2022 und «Vereinbarkeit von Inhouse-Tätigkeit und Nebenbeschäftigung» vom 5. Oktober 2023, hörbar auf Spotify.
[4] Mehr Einblicke zur Tätigkeit von und in (LegalTech-)Startups findest Du in unseren Podcasts «Einblicke eines Startup-Anwalts» vom 4. April 2022, «LegalTech & Advisory – Gründen direkt aus der Uni» vom 27. Oktober 2022 und «Tätigkeiten eines LegalTech Startups» vom 16. November 2023.
Comments